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Wird Parkinson heilbar?

Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Pirker, Abteilungsvorstand der Neurologischen Abteilung und Präsident der Österreichischen Parkinson Gesellschaft

Symptomatische Therapien sind bei der Parkinson-Krankheit über viele Jahre sehr gut wirksam. Sie können aber das Fortschreiten des Nervenzellverlusts nicht aufhalten und Spätkomplikationen der Erkrankung (wie Stürze, Schluckprobleme, Halluzinationen) nicht verhindern. Kausal wirksame bzw. neuroprotektive Therapien sollten den weiteren Verlust von Nervenzellen aufhalten oder bremsen. Zahlreiche Substanzen weisen im Tierversuch eine schützende Wirkung auf Dopamin-Nervenzellen auf. Die Wirkung dieser Substanzen muss aber er erst in aufwändigen und langwierigen klinischen Studien, die große Patientenpopulationen einschließen, im Vergleich zu Placebo untersucht werden. Bisher erwies sich leider keine potentiell neuroprotektive Substanz in klinischen Studien als wirksam.

Grund für das Versagen bisheriger Neuroprotektionsstudien dürfte unser begrenztes Verständnis der Entstehungsmechanismen der Parkinson-Krankheit sein. Ein massiver Wissenszuwachs in den letzten Jahren könnte nun einen Durchbruch bringen. Besonders die Genetik hat massiv zum Verständnis der Pathogenese der Parkinson-Krankheit beigetragen. Zwar leidet nur eine Minderheit von 5-10% der Parkinson-Patient*innen unter einer direkt vererbten, „monogenen“ Parkinson-Krankheit. Es handelt sich dabei aber um wichtige Modellerkrankungen, die auch Einblick in die Pathogenese der sporadischen Parkinson-Krankheit geben und Ansätze für die Entwicklung neuer kausal wirksamer Therapien liefern.

Das erste beschriebene Parkinson-Gen war vor ca. 25 Jahren das Gen für Alpha-Synuklein. Dieses Protein ist im Bereich von Verbindungsstellen von Nervenzellen (Synapsen) angereichert, erleichtert die Freisetzung von Dopamin, hat aber zahlreiche weitere Funktionen in Nervenzellen. Bald nach Entdeckung des Gens wurde klar, dass Alpha-Synuklein auch bei nicht-erblichem Parkinson Hauptbestandteil von Proteinverklumpungen in absterbenden Nervenzellen ist, den sogenannten Lewy Körperchen. Sehr milde Veränderungen im Alpha-Synuklein-Gen und ein erhöhter Gehalt von Alpha-Synuklein im Nervengewebe scheinen das Risiko für die Parkinson-Krankheit auch in der Allgemeinbevölkerung zu erhöhen.

Andere Parkinson-Gene sind verantwortlich für die Produktion von Proteinen, die den zellulären Energiestoffwechsel und den Abbau geschädigter Proteine, z.B. in Lysosomen, beeinflussen. Gegenwärtig gibt es interessante experimentelle Therapieansätze, die über eine Reduktion von Alpha-Synuklein zu Neuroprotektion bei der Parkinson-Krankheit führen sollen. In Entwicklung sind Impfstoffe gegen Alpha-Synuklein (aktive Immunisierung) und Antikörpertherapien (passive Immunisierung). Eine aktuelle Phase II-Studie mit Prasinezumab, einem Antikörper gegen Alpha-Synuklein, ergab Hinweise für eine mögliche Verlangsamung des Krankheitsverlaufs. Eine große, internationale Phase III-Studie mit diesem Antikörper, an der auch drei österreichische Zentren teilnehmen, läuft zurzeit. Dies ist allerdings nur eines von vielen Beispielen innovativer, zielgerichteter Therapien, mit denen man in den Krankheitsprozess einzugreifen versucht. Natürlich ist das Ergebnis dieser Studien offen und es ist nicht klar, welche Strategie letztlich zum Ziel einer Neuroprotektion führen wird. Offen ist, wie früh und wie lang diese Substanzen eingesetzt werden müssen, um einen Effekt zu zeigen. Die Hoffnung für einen Durchbruch ist jedoch höher als je zuvor.

Stehen wir am Beginn einer Parkinson-Pandemie?

Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Pirker, Abteilungsvorstand der Neurologischen Abteilung und Präsident der Österreichischen Parkinson Gesellschaft
Pressekonferenz anlässlich des Weltparkinson-Tags 2022

2018 wies eine Gruppe von renommierten Parkinson-Experten auf die Entwicklung einer Parkinson-Pandemie hin. Wiewohl der Ausdruck Pandemie üblicherweise für Infektionskrankheiten wie Covid-19 reserviert ist, rechtfertigt die weltweite starke Zunahme der Erkrankung nach Ansicht der Autoren den Terminus Pandemie auch für die Parkinson-Krankheit (syn. Morbus Parkinson). Von 1990 bis 2015 stieg die Zahl der Menschen mit Parkinson von 2,6 auf 6,4 Millionen. Basierend auf der Global Burden of Disease Studie stellen neurologische Erkrankungen heute eine führende Ursache von Behinderung weltweit dar. Mit einer Steigerungsrate von nahezu 120% von 1990 bis 2015 ist der Morbus Parkinson die am stärksten zunehmende neurologische Erkrankung. Bis 2040 ist von einer weiteren starken Zunahme auf 17,5 Millionen Parkinson-Patient*innen weltweit auszugehen.

Die Wahrscheinlichkeit an Parkinson zu erkranken ist altersabhängig und steigt zwischen 60 und 70 Jahren steil an. Bisher ging man davon aus, dass etwa 2% aller Menschen, die das Pensionsalter erreichen, eine Parkinson-Krankheit entwickeln werden. Aktuellen Schätzungen nach wird der Anteil erheblich höher sein. Hauptverantwortlich für den starken projektierten Anstieg von Parkinson ist der rasch zunehmende Anteil

älterer Menschen an der Weltbevölkerung. Daneben ist aber eine Reihe weiterer Faktoren zu bedenken:  Parallel mit der erhöhten Lebenserwartung in der Allgemeinbevölkerung steigt auch die Lebenserwartung und damit die Krankheitsdauer von Parkinson-Patient*innen. Eine erfreuliche Entwicklung, die auf verbesserten Behandlungsmöglichkeiten und einem generell gesünderen Lebensstil beruht. Die längere Lebenserwartung mit Parkinson bedeutet aber, dass die jeweilige Zahl von Parkinson-Patient*innen, um die sich die Gesellschaft kümmern muss, größer wird. Ein Aspekt des generell gesünderen Lebensstils ist der Rückgang des Zigaretten-Rauchens. Da Raucher ein im Vergleich zu Nichtrauchern ein niedrigeres Parkinson-Risiko haben, führt dies aber zu einer Zunahme der Parkinson-Krankheit in der Bevölkerung. Industrielle Produkte wie z.B. Pestizide und Schwermetalle führen dagegen zu einer leichten Erhöhung des Parkinson-Risikos. Dies könnte zum Teil erklären, warum die Zahl der Parkinson-Patient*innen parallel mit der wirtschaftlichen Entwicklung von Regionen zunimmt. Schließlich führen Fortschritte der Medizin und verbesserte Diagnostik dazu, dass die Parkinson-Krankheit früher und richtiger diagnostiziert wird.

Obwohl gewisse Risikofaktoren für die Erkrankung wie z.B. der Einsatz von Pestiziden und Schwermetallen in Landwirtschaft und Industrie beeinflussbar wären, ist der Großteil der Gründe für die Zunahme der Parkinson-Krankheit unseren trotz aller Krisen besser werdenden Lebensbedingungen und unserer höheren Lebenserwartung geschuldet. Die einzige Lösung werden angesichts der zunehmenden Häufigkeit der Parkinson-Krankheit bessere Therapien sein, die nicht nur Symptome lindern, sondern in den Krankheitsverlauf eingreifen können. Da eine völlige Heilung der Erkrankung aber nicht bald zu erwarten ist, muss sich unser Gesundheitssystem auf die stark zunehmende Zahl von Parkinson-Patient*innen vorbereiten.